„Einer sprengt was in die Luft, weil ihn meine Art zu leben so sehr stört.“ (Ina Müller)

Eine der letzten ’normalen Nächte‘, kurz bevor Corona auch in Deutschland das öffentliche Leben zum Erliegen brachte. In Hanau, einer Stadt von ungefähr doppelter Größe wie Landau, beginnt der Abend wie jeder andere davor. Die Bars haben geöffnet und die Gäste haben eine gute Zeit. Bis um kurz vor 22 Uhr in der ersten Shisha-Bar die tödlichen Schüsse fallen. Abgefeuert von einem
Rassisten, der seinen Hass in seine legalen Waffen kanalisiert gegen Menschen richtete, die ihm nie etwas getan hatten. Innerhalb von 12 Minuten hat er in 2 Lokalen 9 Menschen mit Migrationshintergrund erschossen, bevor er anschließend seine Mutter und sich selbst richtet.

Stellt euch vor, ihr werdet auf offener Straße erschossen, nur weil ihr optisch einem Feindbild entsprecht. Ihr wart noch nie straffällig, ihr lebt in einer Gesellschaft und fühlt euch als Teil davon. Und plötzlich habt ihr euren letzten Atemzug getan, weil ihr das falsche Aussehen habt, die falsche Religion, die falsche Sexualität, das falsche Geschlecht…. Genau das ist in Hanau vor einem Jahr passiert. Die Angehörigen trauern. Die Trauer hat sie verändert. Ihre Leben werden nie wieder so sein wie zuvor. Trauer, Angst, Wut und viele mehr Gefühle wirbeln in ihnen umher und zerfressen sie innerlich. Im Endeffekt hat der Attentäter nicht 9 Menschen ermordet, sondern weitaus mehr. Jede:r von ihnen hinterlässt ein Loch im Leben der Angehörigen.

Die Tat war ein Schock, unvorhersehbar war sie aber nicht. Denn wir leben in einem Land, in dem trotz zahlreicher Morde und versuchter Morde von Rechtsextremen immer wieder nur auf linke Gewalt geschielt wird. Ja, geschielt, denn ein gesundes Sehvermögen hätte die Konsequenz, dass das Thema Rechtsextremismus endlich ernst genommen würde. Dass entsprechende Netzwerke bei der Bundeswehr und der Polizei ausfindig gemacht und ausgehoben würden. Doch stattdessen werden Whistleblower unehrenhaft entlassen, Polizist:innen schweigen aus Angst vor der schieren Übermacht der Kolleg:innen und Demonstrationen gegen Pegida am 29.11. werden verboten, während Pegida marschieren und Hass verbreiten darf. DAS ist unser Land! Aber: das ist UNSER Land! Wir entscheiden, wie die politische Landschaft aussieht. Wir entscheiden, ob Faschist:innen wie Höcke eine Stimme bekommen oder nicht. Wir können der Politik immer wieder Druck machen
und lückenlose Aufklärung der NSU-Morde sowie des (mitunter staatlichen) Versagens am 19.02. in Hanau fordern. Wir haben JEDEN einzelnen Tag die Möglichkeit, uns im Alltag gegen Rassismus und Diskriminierung stark zu machen. Wenn irgendwo ein Mensch mit Migrationshintergrund angefeindet wird, steht auf, verdammt! Sagt was, macht euch laut und macht den Menschenhassenden klar, dass ihr Hass erstens keine Meinung ist und zweitens nicht toleriert wird.
Keine Toleranz der Intoleranz! Wo das hinführt, haben wir so oft gesehen. Wie viel muss nochgeschehen, bis endlich alle aufrechten Demokrat:innen „nie wieder“ verstehen, mit dem Herzen fühlen und es auch leben?

In tiefer Trauer um Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov und in Gedanken bei den Hinterbliebenen und deren Suche nach Antworten,
ToM Südpfalz e.V.

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