Hanau und der Rechtsterrorismus in Deutschland

Am 19. Februar, gerade mal ein halbes Jahr ist es her, ermordete ein Rechtsextremist neun Menschen in Hanau.

Ferhat Unvar
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Kaloyan Velkov
Vili Viorel Păun
Said Nesar Hashemi
Fatih Saraçoğlu

Die ganze Republik stand still als diese schreckliche Tat bekannt wurde. Bundesweit gingen die Menschen auf die Straßen, um ihrer Trauer um die Opfer und ihrer Solidarität mit den Angehörigen Ausdruck zu verleihen.

Einige Politiker*innen reagierten geschockt, bestürzt und redeten von einer angeblichen neuen schrecklichen Dimension des Rechtsterrorismus. Aber der Rechtsterrorismus in dieser Form war und ist kein neues Phänomen und auch nicht erst seit den NSU Morden.
Der Rechtsterrorismus zieht sich durch die ganze Geschichte seit Gründung der Bundesrepublik.

-1950er: Gründung der Sozialistischen Reichspartei (SRP) [1] als Nachfolgepartei der NSDAP. Sie bekannte sich offen zum Nationalsozialismus und übernahm das Parteiprogramm der NSDAP eins zu eins. 1952 gründete sich die Wiking-Jugend [2] als Nachfolgeorganisation der Hitlerjugend

-1960er: Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) mit ihren damals gewaltbereiten „Ordnungsdienst“, die gezielt politische Gegner angriffen, sogar unter den Augen der damaligen untätigen Polizei.

-1970er: Ehemalige NSDAP Mitglieder gründeten die rechtsextreme „Aktion Widerstand“ [3], die Veranstaltungen und Demonstrationen organisierten, die fast immer gewalttätig verliefen.
Aus dem Umfeld kamen auch die gewaltbereiten Neonazis, die später die paramilitäischen Wehrsportgruppen gründeten [4] und die in den darauf folgenden Jahren Anschläge verübten, darunter auch der Bombenanschlag auf das Oktoberfest [5]

-1980er: Michael Kühnen [6] war in den 80ern der bekannteste Neonazi, der viele militante Neonazis vereinen konnte. Er gründete in der Zeit viele rechtsterroristische Organisationen und forderte die Wiederzulassung der NSDAP. Aus seiner offenen antisemitischen und antidemokratischen Haltung machte er nie einen Hehl.
1983 gründete sich die Partei „Die Republikaner“, angeführt vom ehemaligen NSDAP Mitglied und SS-Soldaten Franz Schönhuber. Diese Partei betrieb einen Wahlkampf mit menschenfeindlichen und demokratiefeindlichen Parolen und eilte von Wahlsieg zu Wahlsieg [7]. Dadurch fühlten sich viele Nazis ermutigt, ihre Gewaltfantasien auf der Straße auszuleben.
1987 griffen in Ost-Berlin mehrere Neonazis ein Punk-Konzert in der Zionskirche an. Sie schlugen wahllos auf Zuschauer*innen und Musiker*innen ein. Das damalige SED Regime versuchte erst den Angriff zu vertuschen, aber ohne Erfolg. [8]

-1990er: Brandanschläge auf Asylbewerberheime in Hoyerswerda, Lübeck und Rostock-Lichtenhagen, sowie Mordanschläge in Solingen und Mölln.

Das ist nur eine grobe Auflistung der rechtsterroristischen Umtriebe seit Ende des 2. Weltkriegs. Der Ungeist des Nationalsozialismus war nie weg, er war immer da, das Gift dieser menschenverachtende Ideologie wird immer weiter getragen in die nächsten Generationen. Wir sind in der demokratischen Pflicht diese Weitergabe der Ideologien zu beenden und den Ungeist aus den Köpfen zu vertreiben. Dieser Kampf ist nicht leicht und wird all unsere Kraft brauchen. Der Weg ist lange und davon darf nicht abgewichen werden, denn es geht um Menschenleben, wie es uns in Hanau deutlich gezeigt wurde. Die wehrhafte Demokratie ist auf uns alle angewiesen, sie kann nur standhaft sein wenn unsere Republik seine aufrechten Demokrat*innen hat.

Literatur:

[1] Henning Hansen: Die Sozialistische Reichspartei (SRP). Aufstieg und Scheitern einer rechtsextremen Partei. In: Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.

[2] Rainer Fromm: Am rechten Rand. Lexikon des Rechtsradikalismus. 2. Auflage

[3] Aktion Widerstand. Eine antidemokratische Bewegung, dargestellt in Dokumenten. Hrsg. Friedrich-Ebert Stiftung

[4] Rainer Fromm: Die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ – Darstellung, Analyse und Einordnung – ein Beitrag zur Geschichte des deutschen und europäischen Rechtsextremismus.

[5] Ulrich Chaussy: Oktoberfest. Das Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann. Ch. Links Verlag

[6] Anton Maegerle, Rainer Fromm: Michael Kühnen. Biographie eines Neonazis. In: Der rechte Rand. Nr. 13.

[7] Hajo Funke: Republikaner. Rassismus, Judenfeindschaft, nationaler Grössenwahn. Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste

[8] Becker, Peter von: Staatslüge und rechte Offenbarung. In: Tagesspiegel, 17. Oktober 2017, Reportageseite.