Gedenken: Deportation nach Gurs

Heute vor 83 Jahren wollten unsere jüdischen Mitbürger:innen das Ende des Sukkot [1], zu Deutsch Laubhüttenfest, feiern. Sukkot ist als das jüdische Erntedankfest, bei dem auch an den Auszug aus Ägypten erinnert wird, bekannt. Es ist das größte Freudenfest des jüdischen Volkes.
Doch das Laubhüttenfest, ein Fest der Freude, ein Fest des Gedenkens wurde an diesem 22. Oktober 1940 zum traurigsten Tag der jüdischen Gemeinden in der damaligen Saarpfalz und Baden.
Heute vor 83 Jahren, wurden die bis dahin noch verbliebenen 34 Landauer jüdische Bürger:innen zusammen mit insgesamt 6.500 jüdischen Menschen aus der Saarpfalz und Baden nach Südfrankreich in das Lager Gurs deportiert. Ihnen blieb gerade einmal 2 Stunden Zeit ihre Habseligkeiten zu packen, bevor sie in alten französischen Personenwaggons vom Landauer Bahnhof nach Gurs deportiert wurden. Dabei durften sie noch nicht einmal all ihre Habseligkeiten mitnehmen. Pro Person war 1 Koffer oder ein Paket von maximal 50 KG für Erwachsene und maximal 30 KG für Kinder, Kleidung, 1 Wolldecke pro Person, Verpflegung für mehrere Tage, Bargeld maximal 100 Reichsmark pro Person, Ess- und Trinkgeschirr erlaubt. Den Rest ihrer Habseligkeiten mussten unsere Mitbürger:innen in ihren Wohnungen zurücklassen, wo sich die nichtjüdische Bevölkerung Landaus nach der Deportation an den Besitztümern der deportierten Jüdinnen und Juden bereicherte.
Am Landauer Bahnhof erfuhren unsere Mitbürger:innen Demütigung, Entrechtung und Gewalt durch die Nationalsozialisten.
Die Aktion war lange im Vorfeld minutiös geplant. Wenige Tage nach der Deportation nach Gurs vermeldete Josef Bürkel als erster deutscher Gauleiter den Gau Saarpfalz als “judenfrei”.
Diese erste großangelegte Massendeportation jüdischer Menschen ist bis heute als Blaupause für die nach der Wannseekonferenz 1941 beginnenden Deportationen jüdischer Mitbürger:innen in Konzentrations- und Vernichtungslager bekannt.
Viele der jüdischen Deportierten starben bereits auf der Fahrt oder bald nach der Ankunft im Lager in Gurs. Die Überlebenden wurden später in die Vernichtungslager gebracht. Die meisten von ihnen wurden von den Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet.
Dem Hass der Nazis fielen aber nicht nur unsere jüdischen Mitbürger:innen zum Opfer, auch Sinti und Roma, Jenische, Fahrende, Homosexuelle, Transsexuelle, kranke Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen und viele mehr, wurden von den Nazis als “unwertes Leben”, als „Untermenschen“ kategorisiert, verfolgt und ermordet.
Dies ist auch heute noch traurige Realität. Immer noch werden diese Menschengruppen verfolgt, diskriminiert, gedemütigt und ermordet.
Heute am 22. Oktober 2023 gedenken wir der Opfer der Deportation nach Gurs, während sich die Geschichte auf schrecklichste und unvorstellbare Art wiederholt.
Am 07. Oktober 2023 feierten jüdische Menschen weltweit das Simchat Tora, das 2. Schlussfest des Laubhüttenfests, als die Terrororganisation Hamas, in Israel einfiel. Dabei folterten und massakrierten bzw. ermordeten die Hamas und ihre Verbündeten mindestens 1400 Zivilisten und Soldaten, verletzten 4100 Menschen, und entführten über 200 weitere. Es werden außerdem seit den Angriffen mehr als 1000 Menschen in Israel vermisst.
Doch der Aufschrei blieb aus. Stattdessen sahen wir Bilder von Menschen, die diesen barbarischen Terrorakt als legitimen Widerstand gegen Israel feierten. Häuser jüdischer Menschen in Deutschland wurden mit dem Davidstern markiert. Die Hamas rief zu „Tagen des Zorns” auf. Weltweit sollten möglichst viele jüdische Menschen getötet, Anschläge auf jüdische Institutionen verübt werden. Die Folge waren antisemitische Ausschreitungen auf unseren Straßen, Brandanschläge auf Synagogen und tätliche Angriffe auf jüdische Menschen.
Deutsche Medien übernehmen ungeprüft die Terrorpropaganda der Hamas. Übelste antisemitische Stereotypen werden von deutschen “Intellektuellen” unreflektiert reproduziert. Der Aufschrei bleibt aus. Die Mehrheitsgesellschaft schweigt!
Von NIE WIEDER keine Spur!
Solange dies in unserer Gesellschaft noch ohne Aufschrei geschehen kann, solange haben wir aus unserer Geschichte nichts gelernt!
Wir dürfen nicht müde werden zu mahnen, uns einzumischen, laut zu sein und uns gegen jeden Antisemitismus zu stellen! Uns hinter unsere jüdischen Mitbürger:innen zu stellen und auch schützend vor sie! Nie wieder darf nicht weiter zur Floskel verkümmern!
NIE WIEDER IST JETZT!
[1] ausführliche Infos hier: https://www.israelmagazin.de/…/laubhuttenfest-sukkot
https://embassies.gov.il/…/Feiertage/Pages/Sukkot.aspx
https://de.chabad.org/…/arti…/aid/5246/jewish/Sukkot.htm