Filmvorführung: Als Paul über das Meer kam am 25.03.2019 im Universum Kinocenter

Zum Abschluss der Landauer Wochen gegen Rassismus zog es nochmal viele Landauer ins Universum Kinocenter um den preisgekrönten Dokumentarfilm „Als Paul über das Meer kam – Tagebuch einer Begegnung“ zu sehen.

Der Film:

Paul Nkamani hat sich aus seiner Heimat Kamerun durch die Sahara bis an die Küste Marokkos durchgeschlagen. Hier lernen sich Paul und Filmemacher Jakob Preuss kennen, der entlang Europas Außengrenzen auf Recherchereise ist.

Kurz darauf ergattert Paul einen begehrten Platz auf einem Schlauchboot nach Europa, doch die Überfahrt nimmt einen tragischen Ausgang: Die Hälfte seiner Mitreisenden stirbt, Paul überlebt. Der Regisseur sieht die erschütternden Bilder der Rettung im Fernsehen und begibt sich auf die Suche nach Paul. Nachdem Paul bereits zwei Monate in Abschiebehaft verbracht hat, findet Jakob ihn endlich in einem spanischen Rote-Kreuz-Heim wieder. Als Paul aufgrund der Wirtschaftskrise in Spanien beschließt nach Deutschland zu reisen, muss Jakob sich entscheiden: Soll er Paul aktiv bei seinem Streben nach einem besseren Leben unterstützen oder in der Rolle des beobachtenden Filmemachers bleiben?

„Als Paul über das Meer kam“ ist ein beeindruckender Dokumentarfilm, der nicht nur schonungslos alle Facetten der Flucht, ob positiv oder negativ, beleuchtet. Er zeigt auch die Situation der Menschen auf der Flucht, die Dramen und Schicksale die Menschen zur Flucht bewegen und auf der Flucht erleben. Ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung und Verzweiflung.

Regisseur Jakob Preuss:

„Bereits 2011, noch bevor der Begriff „Flüchtlingskrise“ von den Medien geprägt wurde, begann ich an den Außengrenzen der EU für mein Filmprojekt zu recherchieren, das damals den Arbeitstitel „Europe‘s Borderlands“ trug. Ich traf Grenzbeamte und Geflüchtete in Griechenland und Malta, besuchte ein Flüchtlingslager in Tunesien, fuhr an die polnisch-ukrainische Grenze, befragte Mitarbeiter von FRONTEX in den Headquarters in Warschau und begleitete Abgeordnete bei ihrer Arbeit im Europaparlament in Brüssel. Mein Fokus lag auf der europäischen Innenansicht.

Diese Drehs waren hochspannend, aber als ich 2014 Paul, einen kamerunischen Migranten, in den Wäldern bei Nador in Marokko traf, wurde mein Konzept durcheinandergewirbelt – wer den Film sieht, wird verstehen warum. Es entstand die ganz persönliche Geschichte im Spannungsverhältnis zwischen Pauls langem Weg von Afrika nach Europa und meiner Suche nach einer angemessenen Rolle dabei. Während ich die Rolle, die Ziele und die Mittel des Staates, der Europäischen Union und auch der Migranten selbst hinterfragte, fing ich gleichzeitig mehr und mehr an, meine eigene Aktionsweise als außenstehender Beobachter kritisch zu reflektieren. Hatte ich das Recht und vor allem wollte ich mich meiner gefühlten Verantwortung entziehen? Durfte ich es zulassen, Sympathie, Emphatie und Freundschaft für meinen Protagonisten zu empfinden?

Wichtig war mir weiterhin die „andere Seite“, die Seite der Grenzschützer zu zeigen, sozusagen meine Seite, zu der ich jederzeit wechseln kann. So diskutiere ich angeregt am angsteinflößenden Zaun von Melilla mit einem spanischen Polizisten, ein weiteres Mal begleite ich portugiesisches Militär auf einem Patrouillenboot im Rahmen einer Frontex-Mission im Mittelmeer und bei einer Schleierfahndung mit zwei jungen Bundespolizisten an der deutschen Grenze erfahre ich viel über die Gemütslage dieser jungen deutschen Beamten. Auch wenn die persönliche Geschichte mit Paul in den Mittelpunkt rückte, bleibt diese Seite staatlichen Handelns ein wichtiges Puzzleteil oder auch Gegenstück im Film. Dabei stellte ich fest, dass keiner dieser Figuren als Feindbild taugte – ihr Credo war meistens „Das ist unser Job“ und der ist nicht immer angenehm.

Dass mein Film Pauls Film werden würde, wurde mir klar, als ich ihn zitternd in einem spanischen Clip im Internet von einem Rettungsboot steigen sah – wohl noch nie war ich so von einem Nachrichtenbild bewegt und schockiert. Wir alle sind schreckliche Bilder aus Nachrichten gewohnt, aber ihre verstörende Kraft ist umso größer, wenn man jemanden auf ihnen kennt. An Filmschulen wird gelehrt, Distanz zu seinen Protagonisten zu wahren – vielleicht war es unser Glück, dass ich auf einer solchen nie war. Obwohl jede Geschichte einzigartig ist, scheint mir unsere Begegnung stellvertretend für viele zu stehen, die Menschen in Anbetracht der großen Fluchtbewegungen derzeit erleben. Meine Begegnung mit Paul war für mich sowohl sehr persönlich als auch stark politisch und viele meiner Ansichten wurden auf die Probe gestellt. Im Kern bleibt für mich die Frage, die ich mit Zitaten am Anfang des Films aufwerfe und die für mich weit über die derzeitige Asyldebatte hinausgeht: Sollte es ein Recht auf Migration geben?“

Weitere Infos zum Film: http://www.paulueberdasmeer.de/

 

Vortrag: Warum Menschenfliehen – Fluchtwege und Fluchtursachen von Dr. Ramona Lenz am 20.03.2019

Im vollbesetzten Seminarraum der Roten Kaserne referierte am 20.03.2019 Frau Dr. Ramona Lenz von medico international zur Frage „Warum Menschen fliehen – Fluchtwege und Fluchtursachen“. Monja Ott von der Amnesty International Hochschulgruppe Landau, eröffnete die Vortragsveranstaltung mit einer kurzen Rede. In ihrer Eröffnungsrede wieß Monja daraufhin, dass Millionen von Menschen weltweit auf der Flucht sind, während auch in Deutschland immer mehr Menschen der rechten Hetze verfallen. Einer Hetze die gegen Geflüchtete wettert und Ängste und Vorurteile schürt. Doch vielmehr sollte unsere Aufgabe darin bestehen, die Menschen auf der Flucht und ihre Beweggründe zu verstehen, sich mit ihrer Situation auseinander zu setzen, die Beweggründe zu verstehen um konstruktiv helfen zu können. Gerade in den heutigen Zeiten zeigt sich wieder einmal mehr, wie wichtig es ist Empathie als Zeichen der Menschlichkeit wieder in den Focus zu rücken, Ängste abzubauen und Brücken zwischen den Menschen dieser Welt aufzubauen. Bob Dylan sagte einst: Kritisiere nicht, was Du nicht verstehen kannst. Nach dieser kurzen Einführung begann Frau Dr. Ramona Lenz von Medico Inernational ihren Vortrag. Sie erläuterte den interessierten Zuhörern die Hinter- und Beweggründe für die weltweite Fluchtbewegung und warum die europäische Politik weitere Fluchtursachen erschafft, wo sie sie bekämpfen will! Auch wenn von einer Seite immer nur von Wirtschaftsflüchtlingen die Rede ist, es gibt 5 Hauptfluchtgründe, die die Menschen dazu bewegen ihre Heimat, ihre Familie in Richtung Ungewissenheit zu verlassen: 1. Krieg und Gewalt, 2. Perspektivlosigkeit und Armut, 3. Diskriminierung und Verfolgung, 4. Rohstoffhandel und Landraub und 5. Umweltzerstörung und Klimawandel. Die meisten Geflüchteten kommen aus Kriegsgebieten. Die größten Aufnahmeländer sind die Nachbarländer dieser Kriegsgebiete. Proportional zur Einwohnerzahl gesehen hat der Libanon die meisten Menschen auf der Flucht aufgenommen, gefolgt von der Türkei, dem Sudan und Uganda. Musa Ecweru, Minister für Flüchtlingsangelegenheiten in Uganda, wird in der TAZ vom 21.06.2017 wie folgt zitiert: „Wir können nicht sagen: Sorry, geh und stirb, wie es derzeit im Mittelmeer mit den ertrinkenden Migranten passiert! Das ist moralisch einfach grundsätzlich falsch. Unserre Grenzen bleiben offen.“ Uganda hat eine Infrastruktur für Flüchtlinge aufgebaut, von der auch die Bevölkerung pprofitiert und die den Gefölüchteten ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben ermöglicht: Arbeit, Bildung, Land!Ende 2017 waren 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Alle 2 Sekunden ist ein Mensch zur Flucht gezwungen. 9 von 10 Geflüchteten leben in sogenannten Entwicklungsländern. Zwei Drittel aller in Europa lebenden Zuwanderer kommen auch aus Europa.

Die Schwerpunkte der europäischen Migrationspolitik wurden in ihrer Umsetzung kritisch betrachtet:

1. Fluchtursachen mindern: Leider zielen viele Aktivisten bestenfalls auf Verhinderung von Flucht, verursachen dadurch neue Fluchtgründe. Dies zeigte Frau Lenz deutlich am Beispiel Mali und den Cashewröstereien auf: Mali ist ein armes Land. Im Süden des Sahel-Landes hat die EU ein „Vorzeigeprojekt“ ins Werk gesetzt. Miteuropäischem Geld wurde eine Rösterei für Cashewnüsse eingerichtet. Der Haken daran: nachdem das Gebäude samt Einrichtung stand, gingen die EU- Hlfer. Viele Bauern der Gegend pflanzen Cashewnüsse an, es fehelen jedoch Fahrzeuge, Vertriebswege, Großkunden und der Zugang zu einem überregionalen Markt. Viele Bauern bleiben auf ihrer Ernte sitzen. In Sambia wurde versucht Fluchtursachen durch Förderung von Privatinvestitionen zu bekämpfen. Zur Bekämpfung von Armut, Schaffung von Arbeitsplätzen und besseren Löhnen für die Menschen des LAndes, hat der Konzern Agrivision aus dem Africa Agriculture Trade Investment Fond des Entwicklungsministeriums 10 Millionen erhalten. Jedoch arbeit auf den Feldern kaum Menschen, der Betrieb ist mechanisiert um Kosten für die Arbeit zu sparen. Anwohner berichten ihnen wurde das Ackerland weggenommen und die Menschen haben nicht mehr genügend zu essen, weil sie ihr Land nicht selbst bewirtschaften dürfen.

2. Rückkehr- und Reintegrationsförderung: Hierzu hat Deutschland ein Rückkehrerprogramm aufgelegt, dass Geflüchteten ungeachtet der Gefahr, die sie eventuell erwartet Geld für die Rückkehr bietet: „Returning from Germany“. Allerdings sind freiwillge Rückkehrer in ihren heimatländern aufgrund der westlichen Berichterstattung, die sich hauptsächlich auf Kriminalität und Sensation fokusiert, als Kriminelle stigmatisiert. Oft ist eine freiwillige Rückkehr für diese Mesnchen schlimmer als eine Abschiebung, denn sie sind ja in den Augen der anderen selbst schuld an ihrer Situation. Sie haben ja der Rückkehr zugestimmt.

3. Irreguläre Migration und Schleußerkriminalität bekämpfen: es ist gemeinhin bekannt, dass Diktatoren als Türsteher der EU fungieren. Siehe Lybien, Türkei, Niger, Tschad. Europas Grenzschutz beginnt in Afrika. Vor menschenunwürdiger Behandlung, Folter, Menschenhandel und unwürdigen Bedingungen werden die Augen geschlossen. Die deutsche Botschaft in Niger beschrieb 2017 die Situation der Geflüchteten in Lybien als „allerschwerste, systematische Menschenrechtsverletzungen“ und „KZ- ähnliche Verhältnisse“.  Es geht um Wirtschaftsinteressen, um Bodenschätz und vieles mehr. Es geht aber nicht um die Sicherheit der Menschen vor Ort. Es geht um die Sicherheit Europas.

Durch ihren Eingriff in Afrika, der Schaffung von Grenzposten und Grenzen, der Investitionen in Militär, sorgt die EU für weitere illegale Migration innerhalb von Afrika. Viele Arbeiter, die Jahrzehntelang im Nachbarland arbeiteten benötigen plötzlich Arbeitsvisa oder werden illegal, wenn sie diese nicht bekommen. Das sind die paradoxen Effekte der EU- Fluchtpolitik: Für die Menschen vor Ort gibt es keine Zukunftsperspektiven, keine Arbeit und viel Armut. Europa ist Exportweltmeister für fluchtgründe durch seine Fluchtpolitik der „Festung Europa“

Teilhabe und Gerechtikeit müssen für alle geschaffen werden, für viele Menschen auf der Welt ist dies jedoch nur durch Flucht und Migration möglich.

„Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Weltkrise!“

Weitere Infos unter: https://www.medico.de/

#IWgR19 #IWgR2019 #immerwaslosinld

Pressemitteilung AgR Südpfalz e.V.

Am vergangenen Samstag fand in Landau eine Demonstration zur „Seebrücke“ statt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass einige Menschen die Symbolik mit dem Sarg und der Europa-Fahne so verstanden, dass man Europa begraben würde, man also gegen Europa sei. Dem ist selbstverständlich nicht so. Wir haben die Werte Europas symbolisch begraben, weil Werte wie „Humanität“, „Hilfsbereitschaft“, „Solidarität“ und allgemein die Wahrung der Menschenrechte seit Anfang des Jahres durch die europäische Abschottungspolitik mit Füßen getreten werden.

„Ganz wichtig ist hierbei das Wort „symbolisch“. Dass man mit so einer Aktion auch durchaus polarisiert, ist ganz klar; dennoch hätte ich mir persönlich mehr Vorsicht bei der späteren Berichterstattung bzw. Wortwahl in der Presse gewünscht, besonders im Hinblick darauf, wie hochsensibel gerade alles ist und man so schnell den Hassrednern und dem rechten Spektrum in die Hände spielt.“ (Zitat MAI, Sängerin)

Und genau dieses Wort hat bei den Berichterstattungen im Anschluss leider gefehlt.

Es ist ein hochsensibles Thema, denn „Menschen suchen in ihrer Angst und Verzweiflung Schutz vor Krieg und Elend in Europa. Sie sterben auf ihrem Weg zu uns im Mittelmeer! Im Jahr 2018 ist bislang jeder 5. Geflüchtete, der den Weg übers Mittelmeer in Kauf nahm, in eben diesem ertrunken! Weit über 1600 Menschen haben in diesem Jahr aufgrund der europäischen Abschottungspolitik auf dem Mittelmeer ihr Leben verloren!“ (Zitat Tanja Sattler)

Es ist ein Thema, das Menschen bewegt. Egal, ob wir von den 400 in Landau sprechen, den 600 in Karlsruhe vor ein paar Wochen oder von den 240.000 Menschen, die in Berlin an der #unteilbar- Demo teilgenommen haben. Sie alle erklären sich solidarisch mit den Menschen in Not. Und damit sind sie nicht allein, auch eine Vielzahl prominenter Künstler aus allen möglichen Bereichen macht sich stark für ein Europa, das für seine Werte einsteht.

Die Kritik, die sich unsere Demonstration gefallen lassen muss, sind die gerufenen Parolen, die teils über das Ziel hinausschossen. Auch hier muss nochmals betont werden, dass das Thema aufgrund der zahlreichen Toten sehr emotional ist und daher Parolen gefallen sind, die keiner wortwörtlich meinte. Niemand möchte „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“, auch diese Phrase ist symbolisch zu verstehen, getreu der Redewendung „jemandem Feuer unterm Hintern machen“.

Für diese missverständlichen Ausrufe entschuldigen wir uns hiermit öffentlich.

Die Kritik an der Performance Kaja Loris, die übrigens mehr ist als „eine Frau mit roter Nase“, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Die Künstlerin ist eine erfahrene Clownin und bekannte Bühnenschauspielerin. Sie trug auch kein Kreuz bei sich sondern ein Holzschwert, das sie eingesteckt hatte und der Bedeutung ihrer Performance wurde in den Redebeiträgen im Anschluss mehrmals Rechnung getragen. Es wurde wieder und wieder betont, dass man Europa liebt und gern hier lebt und dass wir gerade aus diesem Grund diese Demonstration veranstaltet haben: Um Europa wach zu rütteln, „um ein deutliches und unüberhörbares Signal nach Berlin und nach Brüssel zu schicken“ (Tanja Sattler). Oder wie Pfarrer Leonhard es ausdrückte:

„Als überzeugter Europäer möchte ich Europa nicht beerdigen,
aber den Krieg und die Kriegstreiberei im Mittelmeer.
Menschen in Seenot nicht zu retten, ist völkerrechtswidrig.
Und so fordere ich Politikerinnen und Politiker im EU Parlament, aber auch in unseren Parlamenten auf, alles zu tun, damit diesem Krieg ein Ende gesetzt wird.“

Die große Idee Europa wurde betrauert. Dass Abschottung vorherrscht anstatt Brückenbau und Solidarität. Eben diese Idee wurde in allen Reden deutlich dargestellt. Kajas Performance hat dies überzeichnet dargestellt, etwas, das Kunst schon immer getan hat. Es ist eines der Stilmittel schlechthin in der Kunst und darum auch nicht anzufechten.

Alles in allem wollten wir aufrütteln und eine Diskussion um Europa anregen: Wie steht es um Europa derzeit und wie kann Europa in 10 Jahren aussehen? Soll man sich abschotten und weitere 1600 und mehr Tote in Kauf nehmen? Oder übernimmt man die Verantwortung für das durch Europa mit verursachte Leid in Afrika und anderen Ländern und bietet den von dort fliehenden Menschen sicheres Geleit nach Europa? Und wäre es nicht auch an der Zeit, endlich die Bekämpfung der Fluchtursachen anzugehen und nicht nur das daraus resultierende Symptom?

Für die Diskussion darüber sind wir jederzeit bereit. Sei es in Facebook, per Mail an agr_suedpfalz@posteo.de oder persönlich bei einem unserer Aktiventreffen.